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Alterserkrankungen und Fahreignung

Age-related diseases and fitness to drive

Michael Falkenstein, Melanie Karthaus und Ute Brüne-Cohrs

Selbstbestimmte Mobilität ist insbesondere für ältere Menschen essenziell, um ein unabhängiges Leben zu führen. Im vorliegenden Fachbeitrag werden Einflüsse alterstypischer Erkrankungen auf fahrsicherheitsrelevante sensorische, motorische und kognitive Funktionen und auf das Fahrverhalten besprochen. Behandelt werden Erkrankungen des Sehens und Hörens, des zentralen Nervensystems (Schlaganfall, Depression, Demenzerkrankungen, M. Parkinson, Schlafstörungen), des kardiovaskulären Systems und des Bewegungsapparats sowie Diabetes, Gebrechlichkeit und Polypharmazie. In jedem Abschnitt werden spezifische Empfehlungen, und in einem abschließenden Abschnitt zusammenfassende Empfehlungen für Ärzte sowie weitere Beteiligte gegeben.

Self-determined mobility is essential, especially for older people, to lead an independent life. In this article, the influences of age-typical diseases on sensory, motor and cognitive functions that are relevant to driving safety and on driving behaviour are outlined. Diseases of vision and hearing, the central nervous system (stroke, depression, dementia, Parkinson‘s disease, sleep disorders), the cardiovascular system and the musculoskeletal system as well as diabetes, frailty and polypharmacy are mentioned. In each section, specific recommendations for physicians are given, with a concluding section summarizing recommendations for physicians and other professions involved.

 

Zum zeitabhängigen Einfluss von Cannabis auf die Fahrsicherheit – Ergebnisse einer Fahrsimulationsstudie

The time-dependent impact of cannabis on traffic-safety. Results of a driving simulator study

Anne Tank, Thomas Daldrup, Rüdiger Maatz, Tobias Tietz und Benno Hartung

Cannabis ist eine der am häufigsten konsumierten illegalen Drogen weltweit und wird regelmäßig auch bei Straßenverkehrsteilnehmern festgestellt. In einer experimentellen Studie mit 15 cannabiserfahrenen Probanden wurden die Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die Fahrsicherheit mit Hilfe eines Fahrsimulators überprüft. Hierzu rauchten die ProbandInnen unter Aufsicht maximal drei Medizinalcannabis-Joints mit jeweils einer definierten THC-Menge von 300 μg/kg Körpergewicht. Zu jedem Testzeitpunkt (vor Konsum sowie unmittelbar, drei und sechs Stunden nach Konsumende) erfolgten die Fahrversuche sowie zusätzlich Blutentnahmen und ärztliche Untersuchungen. Auffälligkeiten im Fahrverhalten und bei der ärztlichen Untersuchung wurden mit Fehlerpunkten versehen, gewichtet und aufaddiert. Die statistische Auswertung erfolgte mittels einfaktorieller Varianzanalyse (ANOVA) mit Messwiederholungen. THCKonzentrationen >15 ng/ml und CIF-Werte >30 gingen mit signifikant mehr Auffälligkeiten einher; eine direkte Korrelation zwischen den Blutbefunden und den festgestellten Auffälligkeiten bestand jedoch nicht. Es deutet sich an, dass Ausfallerscheinungen und Auffälligkeiten nur eingeschränkt mit den Blutbefunden korrelieren. Signifikant mehr Fahrauffälligkeiten zeigten sich unmittelbar nach dem Konsum des letzten Joints. Drei Stunden später waren keine Unterschiede zu der Nüchternfahrt mehr erkennbar. Sechs Stunden nach Konsum wurde ein erneuter (nicht signifikanter) Anstieg an Fahrauffälligkeiten festgestellt. Weitere experimentelle Studien mit mehr Probanden und verbesserten Fahrsimulatoren sind notwendig, um den Einfluss von THC auf die Fahrsicherheit exakter beschreiben zu können.

Cannabis is one of the most widely consumed illicit drugs in the world and is regularly detected among road users. In an experimental study with 15 cannabis-experienced test persons, the effects of cannabis on driving performance were examined with the help of a driving simulator. For this purpose, the test persons smoked a maximum of three medicinal cannabis joints under supervision, each with a defined THC amount of 300 μg/kg body weight. At each test time (before consumption and immediately, three and six hours after the end of consumption), driving tests as well as blood samples and medical examinations were carried out. Driving faults and distinctive features during the medical examination were allocated penalty points; they were weighted and summed up. The statistical evaluation was carried out using one-way analysis of variance (ANOVA) with repeated measures. THC concentrations >15 ng/ml and CIF values >30 were associated with significantly more penalty points; however, there was no direct correlation to the results of blood analysis. There are indications that failures correlate only to a limited extent with the blood findings. Significantly more driving faults were seen immediately after consuming the last joint. Three hours later there were no longer any differences to the sober drive. Six hours after consumption, a (non-significant) increase in driving faults was seen again. Further experimental studies with more test subjects and improved driving simulators are necessary in order to be able to describe the influence of THC on driving safety more precisely.

Messen die in der Fahreignungsdiagnostik genutzten Testverfahren die in der Fahrerlaubnis-Verordnung genannten Anforderungsbereiche?

Do tests used for the assessment of driving ability measure the dimensions as laid down in the driving license regulations?

Alina Ruckriegel, Wolfgang Schubert und Rainer Banse

In Deutschland legt das Straßenverkehrsgesetz fest, dass Kraftfahrer die körperlichen und geistigen Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen erfüllen müssen. Zur Erfassung der geistigen bzw. psychophysischen Leistungsfähigkeit werden in der Praxis verschiedene psychometrische Testverfahren herangezogen, die fünf in der Fahrerlaubnis-Verordnung festgeschriebenen Anforderungsbereiche messen sollen, wobei diese Anforderungsbereiche jedoch nicht auf einer empirischen Grundlage basieren. Für die vorliegende Studie absolvierten N = 300 Kraftfahrer eine Testbatterie, die sich aus mehreren Tests aus drei in der Praxis gängigen Testsystemen zusammensetzte. Erwartet wurde, dass Tests, die die gleichen Anforderungsbereiche erfassen sollen, hoch miteinander korrelieren. Es zeigte sich jedoch, dass zwischen allen Tests hohe Interkorrelationen auftraten und zudem alle eingesetzten Tests entweder auf einem Faktor Bearbeitungszeit oder einem Faktor Fehler luden. Somit bildeten die Tests nicht die fünf Anforderungsbereiche, sondern eine Zwei-Faktoren-Struktur aus Sorgfalt und Schnelligkeit ab. Die sich daraus ergebenden, potentiell weitreichende Implikationen für die Fahreignungsdiagnostik und insbesondere für die fünf Anforderungsbereiche werden diskutiert.

Traffic law in Germany establishes that all vehicle drivers need to possess the necessary physical and cognitive fitness to drive. To assess cognitive fitness, several different psychometric tests are in use. These tests are supposed to measure five dimensions that are laid down in the driving license regulations, though these dimensions lack an empirical foundation. For the present study, N = 300 drivers completed a set of tests taken from three different commonly used test systems. It was expected that only tests
meant to measure the same dimensions would correlate highly, but results showed high intercorrelations between all tests. Furthermore, all tests loaded one of two factors – response time and accuracy. Thus, the tests showed a two-factor-structure rather than the expected five dimensions. The potentially far-reaching implications of these results for the assessment of driving ability and for the five dimensions laid down in the driving license regulations are discussed.

Konstruktvalidität von Testverfahren im Einflussbereich der Fahrerlaubnisverordnung: künftige Entwicklungen

Construct validity of test methods in the sphere of German driver license act: future-oriented expectations

Michael Berg und Wolfgang Schubert

Nicht-Korrelationen können im Hinblick auf die Validierung von Testverfahren aufschlussreich sein. Das Testsystem Corporal (Berg & Nädtke, 2015) wurde zum Zweck einer konvergenten Validierung mit anderen Testverfahren verglichen, die das Gleiche zu erfassen vorgeben, mit negativem Ergebnis. Dieses Testsystem Corporal wurde nun so umkonstruiert (Nädtke & Berg, 2020), dass von den Vergleichs-Tests vor allem der Antwortmodus übernommen wurde: von der Mehrfach-Wahl-Antwort (Corporal) hauptsächlich zur Go-NoGo-Antwort. Nunmehr waren die Korrelationen signifikant. Schon Neumann (1992) hat gezeigt, dass Funktionen der Aufmerksamkeit nicht ohne die Einbeziehung der  Reaktionsebene erklärbar sind. Im Rahmen der von der FeV vorgegebenen Testgegenstände dürfte in zukünftigen Entwicklungen einer fortlaufenden Wahlreaktion auf räumliche Merkmale eine höhere ökologische Validität zukommen als der Go-NoGo-Reaktion auf beliebige Merkmale. Da die häufigste diagnostische Fragestellung für eine Überprüfung der  Fahreignung nicht auf deren Messung abzielt, sondern auf das Vorliegen von Beeinträchtigungen kognitiver Grundfunktionen, kann die Validierung der Testgegenstände von der Validierung des weiteren Umgangs mit dem Testergebnis getrennt werden. Das macht den Weg frei für eine inhaltlich bessere Definition der FeV-Testgegenstände und deren Validierung auch anhand von Grundlagenwissen der Kognitionspsychologie.

Non-correlations can be informative with regard to the validation of test procedures. The test system Corporal (Berg & Nädtke, 2015) was compared for the purpose of convergent validation with other test procedures that purport to capture the same thing, with negative results. This test system Corporal was now reconstructed (Nädtke & Berg, 2020) in such a way that mainly the response mode was adopted from the comparison tests: from the multiple choice response (Corporal) mainly to the Go-NoGo response. Now significant correlations were obtained. Already Neumann (1992) has shown that functions of attention cannot be explained without including the response level. In the context of the test items given by the FeV, a continuous choice response to spatial features is likely to have a higher ecological validity than the Go-NoGo response to arbitrary features in future developments. Since the most frequent diagnostic question for a test of fitness to drive is not aimed at its measurement, but at the presence of impairments of basic cognitive functions, the validation of the test items can be separated from the validation of the further handling of the test result. This allows a better definition of the content of the FeV test items and their validation regarding basic knowledge of cognitive psychology.

Der Beitrag von Tempo 30 zur Erhöhung der Verkehrssicherheit

Stefan Siegrist, Mario Cavegn, Jürg Beutler, Roland Allenbach und Patrick Eberling

In der Schweiz sind bereits viele Tempo-30-Zonen eingerichtet worden, vor allem auf siedlungsorientierten Strassen.
Das grosse Rettungspotenzial ist jedoch bei Weitem nicht ausgeschöpft, denn die Hälfte aller schweren Unfälle in der
Schweiz ereignet sich innerorts auf Tempo-50-Strecken. Gemäss statistischen Analysen der BFU, Beratungsstelle für
Unfallverhütung, lässt sich die Anzahl schwerer Unfälle durch die Einführung von Tempo 30 um mindestens ein
Drittel senken. Bei idealer Umsetzung dürfen sogar deutlich grössere Effekte erwartet werden. Untersuchungen konnten
belegen, dass der Sicherheitsgewinn nicht zulasten des Verkehrsflusses und der Leistungsfähigkeit geht.

Nutzungserfahrung und die Akzeptanz von uniformierten Elektrofahrzeugen in der Polizei

Acceptance of using electric vehicles in Hessian police forces

Clemens Lorei und Hermann Groß

Die Einführung von E-Fahrzeugen in der hessischen Polizei ab Ende 2018 wurde von den Autoren wissenschaftlich begleitet, wobei Daten vor der konkreten Einführung nun mit Daten aus dem Jahr 2020 zu konkreten Erfahrungen mit uniformierten E-Fahrzeugen verglichen werden können. Im Mittelpunkt der Analyse steht, wie sich die Akzeptanz dieser neuen Technik aufgrund von tatsächlichen Fahrten mit reinen E-Fahrzeugen und Plug-in-Hybridfahrzeugen verändert hat. Faktoren wie eine im Zusammenhang mit Elektromobilität breit diskutierte Reichweitenangst spielen dabei ebenso eine Rolle wie eine Bewertung des Nutzens  für verschiedene polizeiliche Aufgaben und die Eignung für den Polizeidienst insgesamt. Eine große Mehrheit der in den beiden quantitativen Onlinebefragungen und den qualitativen Interviews antwortenden Polizeibeamten zeigt eine prinzipiell positive Haltung gegenüber E-Fahrzeugen, die im Polizeialltag allerdings pragmatisch eingesetzt werden. Konkrete Nutzungserfahrung ändert an der perzipierten Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit von E-Fahrzeugen im Polizeidienst wenig. Ein harter Kern von E-Fahrzeug-Skeptikern lässt sich durch die Möglichkeit, diese Fahrzeuge selbst auszuprobieren, von der prinzipiellen Nicht-Akzeptanz nicht abbringen. Reichweitenangst existiert auch innerhalb der Polizei und nimmt im Falle von Plug-in-Hybriden irrationale Züge an. Besonders positiv bewertet wird die Reaktion der Öffentlichkeit und von Bürgern, denen Polizeibeamte in und mit E-Fahrzeugen begegnen, was auch positiv auf das Image der Polizei insgesamt ausstrahlen dürfte.

Beginning in 2018 Hessian police is using electric cars. The authors are evaluating this project based on quantitative data of 2018 and 2020 including real experiences of police officers. The analysis is focusing acceptance of this new technique within the police after driving electric and plug-in police cars. Especially factors like range anxiety, often discussed in public, are analysed completed by aspects like usability for different police activities. A wide majority of police officers is principally recommending electric police cars as results of quantitative and qualitative research. Police officers are using electric cars in a quite pragmatic manner. Comparing results with and without real experience show only little differences. A small number of hard core sceptics could also be identified that which however do not change their mind although being offered to test electric police cars. Range anxiety is existing within the police force and becomes irrational when using plug-in hybrid vehicles. Police officers are perceiving very positive reactions in public when driving electric police cars which can be assumed as enhancing public image of police forces.