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Straßenverkehrsunfälle im Ländervergleich: Unterschiedliche Unfallrate bei Senioren zwischen Deutschland und der Schweiz

International comparison of road accidents: Different crash rate in older drivers between Germany and Switzerland

Gianclaudio Casutt und Lutz Jäncke

Junge Kraftfahrer stellen für beide Länder eine Risikogruppe im Straßenverkehr dar. Ältere Kraftfahrersindhingegen in Deutschland, im Unterschied zur Schweiz, keine erhöhte Risikogruppe. Doch auch in  Deutschland zeigt sich, unter Berücksichtigung körperlicher Verletzlichkeit, ein altersabhängiger Anstieg der Unfallrate. Die länderspezifischen Vergleiche der Unfalldatensätze des Jahres 2010 zeigen, dass Unfallraten älterer Schweizer Kraftfahrer für verschiedene Unfallklassen (motorisierter Individualverkehr, als Kraftfahrzeuglenker und auch als Unfallverursacher), entgegen den Erwartungen sowie unter Berücksichtigung der Jahresfahrleistung, stärker ansteigen als in Deutschland. Dies spricht nicht für einen Wirksamkeitsnachweis obligatorischer Fahreignungskontrollen, da in Deutschland keine diesbezügliche Vorgabe existiert. Deutsche Kraftfahrer nehmen in allen Altersgruppen im Vergleich zu Schweizer Lenkern aktiver am Straßenverkehr teil, wodurch möglicherweise im hohen Erwachsenenalter altersbedingte Leistungseinbußen durch die erworbene Fahrpraxis besser kompensiert werden können. Eine unterschiedliche Eigenverantwortung könnte auch einen Einfluss auf die unterschiedlichen Kurvenverläufe der Unfallraten haben.

Young drivers represent a risk group for both countries in traffic. However, in Germany older drivers are not as much of a risk group as in Switzerland. But even in Germany exists an age-related increase in the accident rate with respect to frailty. In contrary to expectations and considering the annual mileage, the country-specific comparisons of accident datasets of 2010 show an increase in accident rates of older Swiss drivers for various accident classes (individual motor car traffic, as car driver and also as accident perpetrator), even though there is little evidence for the efficacy of mandatory policies since in Germany no driving-licensing policies for this Age group exist. As German car drivers drive more in all age groups compared to Swiss drivers, possible age-related declines could be better compensated by the acquired driving experience in late adulthood. On the other hand, a different sense of responsibility could also have an impact on the different curves of accident rates.

Fahrerassistenzsysteme (FAS) und Automatisierung im Fahrzeug – wird daraus eine Erfolgsgeschichte?

Driver Assistance Systems and Automation – a success Story?

Wolfgang Fastenmeier

Fahrerassistenzsysteme (FAS) stehen dem Autofahrer grundsätzlich auf allen Ebenen der Fahrzeugführung zur Verfügung. Sie sollen zu größerer Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit des Straßenverkehrs, vor allem aber zu einer erhöhten aktiven Sicherheit beitragen. Der Einsatz wirksamer Fahrerassistenzsysteme setzt eine genaue Analyse der Anforderungen an das Verhalten des Fahrers und der Prozesse der Verarbeitung von Informationen durch den Fahrer voraus. Ebenso müssen Untersuchungen der vorfindbaren Bedingungen des situativen Umfelds vorliegen. Je „intelligenter“ diese Systeme werden, desto mehr gewinnen eine situativ und zeitlich angepasste Informationsdarbietung, sichere und transparente Bedienkonzepte sowie eine differenzielle, an unterschiedlichen Nutzergruppen (z. B. Fahranfänger und ältere Autofahrer) orientierte Fahrzeuggestaltung an Bedeutung. Leider muss jedoch auch gesagt werden: die entsprechenden Maßnahmen sind bislang wenig aufeinander abgestimmt, in ihrer technischen Realisierung häufig suboptimal und nicht immer auf den Informationsbedarf und die Verarbeitungskapazität des Fahrers abgestimmt. Nicht alles, was technisch machbar erscheint, ist auch sinnvoll und von Nutzen für den einzelnen Verkehrsteilnehmer. Der Beitrag versucht daher, einen kurzen Überblick zu positiven und negativen Auswirkungen von Fahrerassistenzsystemen auf die Verkehrssicherheit zu geben.

Advanced driver assistance systems (ADAS) are at the drivers’ disposal on all levels of the driving task. Future developments will lead to highly or fully automated driving. ADAS could contribute to enhanced active safety and comfort by minimizing driver deficiencies in information processing, helping to prevent driver errors and assisting the driving task of the driver. The effective use of these systems requires a thorough analysis of driving tasks, the resulting behavioural requirements and information-processing of the driver. Nevertheless, problems associated with automation such as distraction, risk compensation or deficient system transparency should be clearly addressed and require systematic empirical investigations from a human factors perspective.

Manuelle versus sprachgesteuerte Bearbeitung von SMS während einer Autofahrt: Effekte auf Leistung, Beanspruchung und physiologische Parameter

Manual versus voice-controlled text messaging while driving: Effects on performance, strain and physiological Parameters

Hiltraut Paridon, Stephanie Hofmann und Fanny Schreiber

Neben dem Telefonieren während einer Autofahrt rücken inzwischen auch andere Nebentätigkeiten zunehmend in den Fokus des Forschungsinteresses, wie zum Beispiel das Erstellen und Versenden von Kurznachrichten (SMS). In dem vorliegenden Experiment wurde untersucht, wie sich die manuelle und die sprachgesteuerte Bearbeitung von SMS auf die Leistung, die subjektive Beanspruchung und die physiologische Beanspruchung auswirken. Es zeigt sich, dass sich alle Parameter im Vergleich zur Kontrollbedingung verschlechtern, wobei diese Verschlechterung bei der sprachgesteuerten Bedingung weniger ausgeprägt ist. Die Leistungsmaße verringern sich bei jüngeren Fahren (bis 33 J.) weniger als bei älteren Fahrern; Einbußen sind aber dennoch vorhanden.

In addition to making a phone call while driving, there is increasing interest in researching other secondary activities such as writing and sending short messages (SMS). This experiment examined the effect of receiving and sending SMS manually or by voice-control on performance, subjective strain and physiological strain. It showed a deterioration in all parameters compared with a control condition; however, this deterioration was less pronounced in the voice-controlled condition. The drop in performance of young drivers (up to 33 years of age) was less than that of older drivers; however, there was still a reduction.

Selektion oder Befähigung: Wie kann die Mobilität älterer Fahrer aufrechterhalten werden? Stellungnahme namens des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie e.V. (DGVP)

Selection or qualification: How to maintain older drivers’ mobility?

Wolfgang Fastenmeier, Herbert Gstalter, Klaus Rompe und Ralf Risser

In jüngerer Zeit wird vermehrt die Frage diskutiert, ob die in verschiedenen Staaten praktizierten Pflichtuntersuchungen zur Fahreignung älterer Fahrer angemessen sind. Mittlerweile liegen aus verschiedenen Ländern Ergebnisse von Evaluationsstudien vor, die den Nutzen solcher Überprüfungen bewertet haben. Ebenso sind inzwischen zusammenfassende Bewertungen dieses empirischen Materials  veröffentlicht worden. Einhelliges Resultat dieser Arbeiten: Eine auf das Lebensalter allein bezogene Überprüfung verbessert die Verkehrssicherheit nicht, unabhängig von der Art der eingesetzten Prüfmethoden. Altersbezogene Screenings ergeben vielmehr negative Effekte für die Senioren, inbesondere durch den Wechsel auf wesentlich gefährlichere Arten der Verkehrsbeteiligung (zu Fuß gehen, Fahrrad fahren). Auch die in diesen Screenings eingesetzten Methoden/Prädiktoren (also z. B. körperl. Untersuchung, Sehtest, „kognitiver“ Test) erweisen sich als untauglich, da keine zufriedenstellenden Zusammenhänge zwischen der Messung dieser individuellen Parameter und der tatsächlichen Fahreignung bzw. einem zukünftigen Unfallrisiko älterer Fahrer herzustellen sind. Es ist heute möglich, individuelle Stärken und Schwächen älterer Fahrer zu identifizieren. Dazu liegen Konzepte zur Fahrverhaltensbeobachtung, zur individuellen Beratung und zum Training im Realverkehr vor, die erprobt sind und nachweislich positive Effekte zeigen. Für ihre breitere Anwendung – auf freiwilliger Basis und anlassbezogen – müssen mehr Anreize geschaffen werden. Zu befähigen statt auszusondern muss das Ziel für den Umgang mit Senioren am Steuer sein.

Despite the physical and mental deficiencies of older drivers their accident involvement is not higher than average; thus, older drivers cannot be regarded as a group with a particular accident risk. Nevertheless, several countries have introduced age-based population screenings. Meanwhile, various results from evaluation studies dealing with cost-benefit analyses of these screenings have been published and assessed. The wide span of test procedures that can be found – from questionnaires to medical checks and visual tests and finally psychological testing and driver tests in real traffic – is critically discussed with respect to their potential for predicting future driving performance or even the accident risk of older drivers. On the whole it is concluded that the enormous societal and economic effort of the screenings in no way outweighs any adverse effects on overall road traffic safety and the undue limiting of older people’s mobility. Future potentials to enhance traffic safety for elderly drivers lie in technical and constructional measures concerning the vehicle and traffic environment. The most promising approach, however, seems to be additional training for selected elderly drivers.