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Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung - Beurteilungskriterien – Änderungen und Weiterentwicklungen in der 3. Auflage

Decision-making procedure at Medical-Psychological-Assessment (MPA) in Germany – rating criteria and rating principles – improvements and updates in its third edition

Jürgen Brenner-Hartmann und Thomas Wagner

Die erweiterte und grundlegend überarbeitete 3. Auflage der Beurteilungskriterien wurde kürzlich veröffentlicht. Dieser Artikel präsentiert eine Übersicht über die wichtigsten Veränderungen. Die Beurteilungskriterien wenden sich gezielt an den Gutachter und haben den Anspruch, die Brücke zwischen erhobenen Befunden und definierten Anforderungen zu bauen. Dies wird durch die bekannte Struktur von Hypothesen, Kriterien und Indikatoren für die Bereiche der verhaltensbezogenen Eignungszweifel (Alkohol- und Drogenauffälligkeit, Verkehrsauffälligkeit und Straftaten) besonders differenziert vorgenommen. Neu ist, dass sich der Text nun auch auf ärztliche Gutachten bezieht. In den A-Hypothesen (Alkoholauffälligkeit) fanden vor allem Präzisierungen bestehender Kriterien und Indikatoren statt. Bei den Hypothesen zu betäubungsmittelbedingten Auffälligkeiten wurde unter der Hypothese D1 ein neues Kriterium zur Beurteilung der Fahreignung von Opiatabhängigen geschaffen. Die Begutachtungssystematik bei Kraftfahrern mit verkehrs- und/oder strafrechtlichen Auffälligkeiten wurde völlig neu zu konzipiert. Entsprechend der Systematik bei den Alkohol- und Drogenhypothesen wurde auch bei den Hypothesen V1 bis V3 ein hierarchischer Aufbau gewählt. Im 8. Kapitel, das sich mit den verwendeten Untersuchungsmethoden beschäftigt, hat der Abschnitt 8.1 zur chemisch-toxikologischen Untersuchung (Hypothese CTU) wiederum eine umfangreiche Überarbeitung erfahren. Neu in Kapitel 8 aufgenommen wurden die Abschnitte 8.3 zur „Medizinischen Fahreignungsuntersuchung“ und 8.4 zum „Psychologischen Untersuchungsgespräch“. Damit sind mit der 3. Auflage alle Teile der medizinisch-psychologischen Untersuchung beschrieben und die Grundlagen für die Träger von Begutachtungsstellen für Fahreignung geschaffen, ihre Prozesse an allgemeingültigen Standards auszurichten.

In Germany, the Medical-Psychological-Assessment (MPA) is since almost 60 years an important method to assess driver's requirements for safe driving. Standardization of data collection (medical, toxicological, and psychological findings, test results) and decision-making procedure is supported by a system of hypothesis, inspection principles, rating criteria and indicators. This expert system is published in a basic manual called “Beurteilungskriterien”, which is now published in its 3rd edition. This article presents an overview on the main topics of revision and improvements. What’s new in the 3rd edition? This current publication also includes regulations to medical expertises. Indicators and criteria in the section of alcohol-related drink-driving problems were specified. The drug-related hypothesis were completed by defining guidelines for opioid substitution therapy. The 3rd group of delinquency at road traffic (e.g. speeders, drivers who pass red traffic lights, persons with many accidents) will receive a fundamental revised diagnostic strategy, combining the severity of individual risky factors triggering the violations at traffic (e.g. personality disorder, lack of adaptability, lack of acceptance of rules) on the one hand with elements of a demanded changing process on the other. In chapter 8, which ca be seen as a methodological toolbox, all elements of Medical-Psychological-Assessment (MPA) are described entirely, including general requirements for toxicological assessments, application of psychological tests, the medical inspection and psychological interview. Thus the standardization of diagnostic process is supported.

Muss die Dokumentation des Explorationsgespräches in der Fahreignungsbegutachtung reformiert werden?

Do we need to revise the documentation of the medical-psychological assessment (MPA) of driving aptitude?

Malgorzata Zöhner, Rainer Banse, Marie-Luise Kluck und Wolfgang Schubert

Immer wieder wird die Diskussion um Reliabilität, Validität und Objektivität der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung neu entfacht. Seitens der Politik und der Anwaltschaft wird immer wieder bemängelt, dass die Fahreignungsbegutachtung (sowohl die ärztliche als auch die medizinisch-psychologische Untersuchung) für den Begutachteten zu wenig transparent sei. Insbesondere sei es schwer, die Empfehlung des Gutachtens zu überprüfen und ggf. mit juristischen Mitteln anzugreifen. Der Forderung der Anwaltschaft, die Transparenz der MPU durch Einführung einer routinemäßigen Bild- oder Tonaufnahme zu dokumentieren, schloss sich auch das Verkehrsministerium an. Dies würde jedoch eine Änderung der Fahrerlaubnis Verordnung (FeV) in der Anlage 15 Nr. 1 e erfordern, die für alle Fahreignungsgutachten gilt – sowohl für die ärztlichen nach § 11 als auch für die medizinisch-psychologischen Gutachten nach §§ 13 und 14, also nicht nur für die MPU. Gegen diese Forderung wurden in Goslar 2010 von verwaltungsrechtlicher und von Seiten der Gutachter eine Reihe von Argumenten vorgebracht, sowohl hinsichtlich möglicher daraus resultierender Nachteile für das diagnostische Setting, als auch zu Durchführungs- und Kostenaspekten. Angesichts dieser widerstreitenden Auffassungen werden in dem vorliegenden Beitrag die möglichen Auswirkungen von Mitschnitten auf den diagnostischen Prozess, auf die Qualität und auf das Ergebnis der Begutachtung diskutiert.

There is an ongoing debate concerning the reliability, validity and objectivity of the German medical-psychological assessment (MPA) of driving aptitude Moreover, politicians and advocacy criticise that the medicalpsychological assessment (MPA) lacks transparency for the testes. In particular it is criticised that that it is very difficult in practice to verify the experts opinion and, if necessary, to challenge it in court. Thus, the advocacy has asked for a routine audio or video recording of the psychological interview. The German Ministry of Transport aligned itself with these claims. However, this would require a change of the German Traffic Licence Regulation (Fahrerlaubnisverordnung; ‚FeV‘). In particular, it would be necessary to amend Appendix 15 No.1e. This measure would have implications for both the medical examination (according to §11 FeV) as well as for the medical and psychological assessments according to §§ 13 and 14, and not only for the MPA. A number of arguments have been raised against a routine audio and video documentation of the psychological interview, like the potential impact on the diagnostic setting and cost and procedural aspects. In the light of this debate, this article discusses the potential consequences of audio- and video recordings on the diagnostic process, the quality and the outcome of the MPA expert statement.

Auffälliges Fahrverhalten bei Erwachsenen mit ADHS

Suspicious driveability of adults with ADHD

Birgit Gräfe, Salvatore Corbisiero, Volker Dittmann und Rolf-Dieter Stieglitz

Ein beträchtlicher Teil der Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) weist Beeinträchtigungen des Fahrverhaltens auf. Die vorliegende Arbeit untersucht, (1) wie sich ADHS-Patienten ohne Führerschein (OF), mit Führerschein und Problemen beim Autofahren (MF/MP) bzw. mit Führerschein ohne Probleme beim Autofahren (MF/OP) hinsichtlich der ADHS-Symptomatik unterscheiden und (2) welchen relativen Beitrag zur Varianzaufklärung der Fahrprobleme einzelne ADHS-Symptombereiche leisten. Die aktuelle Symptombelastung der 236 ADHS-Patienten wurde anhand von anerkannten Selbst- und Fremdbeurteilungsinstrumenten bestimmt, Angaben zu Führerscheinbesitz und Fahrprobleme beruhen auf Selbstauskunft. Das Ergebnis der Varianzanalysen zeigte, dass sich die Untergruppen hinsichtlich des globalen Musters von ADHS-Symptombereichen unterscheiden. Für Patienten mit Führerschein und Problemen beim Autofahren ergaben sich höhere Werte für Impulsivität, für Patienten ohne Führerschein höhere Werte für Unaufmerksamkeit. Regressionsanalytische Modelle identifizierten Impulsivität als stärksten Prädiktor für Fahrprobleme. Die Resultate ergänzen das aktuelle Wissen über Fahrprobleme bei ADHS-Patienten. Sie implizieren weitere Forschung sowie die Entwicklung von Präventions- und Interventionsstrategien auf diesem Gebiet.

How is the effect of fear arousing appeals on 16- to 19-year-old participants? This study reviews an intervention program called „Crash Kurs NRW“ which was implemented by the police of the German state North Rhine-Westphalia. This prevention program was conducted by people, who are normally working at accident scenes, e.g. policemen, firemen, emergency physicians as well as family members of accident victims. In this context, an evaluation with 2.000 students was realized at three occasions – the first time just before the program was performed, the second was completed two weeks and the third one four months later. The result was a very high positive assent to the content on the part of the participants. Additionally, decreased overestimations of the own driving competences could be found. Hardly changed, however, attitudes and knowledge parameters. Against this background, it is concluded, to establish „Crash Course NRW“ in consideration of formal and content optimizations.

Anfechtbarkeit der fahrerlaubnisbehördlichen Anordnung, ein MPU-Gutachten beizubringen

Frank Müller-Rath

Zum Rechtsschutz gegen die Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens

Klaus Weber