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Ein Konzept zur Optimierung der Fahrschulausbildung in Deutschland

A Concept to optimise the Driver Education in Germany

Dipl.-Psych. B. Bredow, Dr. habil. D. Sturzbecher, Kremmen OT Staffelde

Im vorliegenden Beitrag werden die zentralen Ergebnisse des Projekts „Ansätze zur Optimierung der Fahrschulausbildung in Deutschland“ der Bundesanstalt für Straßenwesen zusammenfassend dargelegt. In diesem Projekt wurden die Inhalte, Methoden und Durchführungsformen der Fahrschulausbildung einer kritischen Betrachtung unterzogen und wissenschaftlich begründete Ansatzpunkte für ihre Weiterentwicklung erarbeitet. Die diesbezüglichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten umfassten vor allem die Skizzierung eines künftigen Ausbildungscurriculums für den Theorieunterricht und die Fahrpraktische Ausbildung. Dabei wurden auch Schnittstellen zu informellen Lehr-Lernformen (v. a. Selbstständiges Theorielernen durch Nutzung des „Blended Learning“-Ansatzes) und zu edukativen Maßnahmen in der Probezeit geschaffen, um Synergieeffekte zu produzieren. Die erarbeiteten Optimierungsansätze wurden beschrieben und lehr-lerntheoretisch begründet. Darüber hinaus wurden Implementierungskonzepte und prototypische Ausbildungseinheiten einer optimierten Fahrschulausbildung entwickelt. Insgesamt gesehen sind die Projektergebnisse als konzeptionelle Vorarbeiten für eine Optimierung der Fahranfängervorbereitung und eine verbesserte Ausschöpfung ihres Verkehrssicherheitspotenzials anzusehen.

In the following article, the key results of the project “Approaches to the Optimization of Driver Education in
Germany” of the Federal Highway Research Institute are summarized. In this project, the contents, methods and
implementation forms of driver education were analyzed. Moreover, scientifically justified approaches to the
further development of driver education were worked out. The research and development work involved outlining
a curriculum for theory classes and practical driving instruction. Furthermore, connections to informal teaching
and learning forms (especially independent theory learning based on the “Blended Learning” approach) and
advanced training courses in the probationary period were incorporated in order to achieve synergy effects. The
suggested optimization processes, which are based on learning theory, were described in detail. Additionally,
implementation concepts and prototypical teaching units were developed. Taken together, the results of the
project constitute a promising conceptual basis to optimize novice driver preparation and to enhance its traffic
safety potential.

Die pädagogisch erweiterte Fahrschulüberwachung in Deutschland – ein Beitrag zur Reform des Fahrlehrerrechts

Educationally augmented supervision of driving schools in Germany – a contribution to a reform of the legal bases of driving instruction

Dr. habil. D. Sturzbecher, Dipl.-Psych. B. Bredow, Kremmen OT Staffelde

Zwischen den Bundesländern bestehen erhebliche Unterschiede bezüglich der Form, des Inhalts und des Umfangs der Fahrschulüberwachung. Daraus ergeben sich Wettbewerbsverzerrungen für die Fahrlehrerschaft und ungenutzte Potenziale zur Verbesserung der Ausbildungsqualität. Daher hat die BASt ein Gutachten erstellen lassen, in dem Möglichkeiten zur Schaffung eines einheitlichen, hohen Überwachungsniveaus in Deutschland sondiert wurden. Im Gutachten wurden zunächst die rechtlichen Grundlagen sowie die inhaltliche und methodische Ausgestaltung der Fahrschulüberwachung in den Bundesländern vergleichend analysiert. Darüber hinaus wurde der Stand der maßnahmenpolitischen Diskussion zur Weiterentwicklung der Fahrschulüberwachung zusammengetragen. Darauf aufbauend wurden dann die Anforderungen an die fahrlehrerrechtlichen Grundlagen der Fahrschulüberwachung, ihre Inhalte und Methoden, die Zugangs- und Tätigkeitsvoraussetzungen für Sachverständige und die Sanktionen aus wissenschaftlicher Sicht beschrieben. Schließlich wurden unterschiedliche Modelle zur Umsetzung der Fahrschulüberwachung vorgestellt. Im vorliegenden Beitrag werden die zentralen Empfehlungen des Gutachtens zusammenfassend dargelegt.

Comparing the federal states of Germany, there are considerable differences with respect to the kind, contents,
and extent of supervision of driving schools. This implies distortion of competition for driving instructors and
unused potentials for improving the quality of driver training. Therefore, the BASt (German Federal Highway
Research Institute) commissioned an expert report to explore possibilities for establishing a consistently high
standard in supervision throughout Germany. The report starts with a comparative analysis of the legal bases
as well as the practice of driving school supervision concerning contents and methods in the different federal
states. Furthermore, the current state of discussion on political measures to advance driving school supervision
is reviewed. Building on that, a scientific requirements analysis is conducted concerning the legal bases of
driving school supervision, its contents and methods, the conditions of admission and work as a supervisor,
and sanctions for driving schools. Finally, a range of models for the implementation of driving school supervision
is presented. In this article, the key recommendations of the report are presented in summary.

 

Verkehrssicherheit und Höhenunterschiede – Unfälle in Nordrhein-Westfalen

Traffic safety and differences in altitude – Accidents in North Rhine-Westphalia

Prof. Dr.-Ing. C. Holz-Rau, Dortmund;
P. Hölderich, M. Sc., Karlsruhe

Der Beitrag untersucht Unterschiede der Unfallbelastung in den Gemeinden Nordrhein-Westfalens (2009 bis 2013).
Die Analysen unterscheiden die Anzahl der Verunglückten nach Unfallschwere und Art der Verkehrsteilnahme. Die
Gemeinden werden charakterisiert durch die Einwohnerzahl (drei Kategorien) und die Höhenunterschiede auf dem
Gemeindegebiet (vier Kategorien). Dabei zeigt sich eine dreimal höhere Belastung durch tödliche Unfälle in kleinen
Gemeinden gegenüber Großstädten, vor allem infolge des höheren Anteils von Fahrten außerorts. Dies betrifft
besonders Pkw- und Motorzweiradverkehr (5:1), abgeschwächt aber auch den Radverkehr (2:1). Die Höhenunterschiede
im Gemeindegebiet spielen eine geringere, aber durchaus relevante Rolle. So ist die Getötetenrate in Gemeinden
mit starken und sehr starken Höhenunterschieden etwa doppelt so hoch wie in Gemeinden mit geringen
Höhenunterschieden. Im Radverkehr nimmt die einwohnerbezogene Getötetenrate mit zunehmenden Höhenunterschieden
allerdings aufgrund der geringeren Nutzung deutlich ab.

The paper studies differences in accident rates in North Rhine-Westphalia on the municipality level (2009–2013).
The analyses distinguish the number of casualties by severity of accident and transport mode used. The municipalities
are characterized by number of inhabitants (three categories) and differences in altitude within the municipality
area (four categories). The findings show three-fold higher rates of fatalities in small municipalities
compared to large cities. This is mainly due to a higher share of trips driven outside of built-up areas in smaller
municipalities. These higher fatality rates particularly refer to car use and motorcycling (5:1), less so to cycling
(2:1). Differences in altitude within a municipality area play a weaker, but still relevant role. For instance, the fatality
rates in municipalities with strong or very strong differences in altitude are about twice as high as in municipalities
with minor differences in altitude. Conversely, however, the fatality rate decreases with increasing
differences in altitude with respect to cycling. This is due to less cycling in hilly areas.

 

Regelkenntnisse bei deutschen RadfahrerInnen: Onlinebefragungen unter Erwachsenen und SchülerInnen

Rule knowledge among German cyclists: Results of two online-questionnaires for adult and adolescent cyclists

Dr. Dipl.-Psych. A. K. Huemer, B. Sc. K. Eckhardt-Lieberam, Braunschweig

Rad fahren ist eine gesunde Möglichkeit, sich fortzubewegen. Leider haben RadfahrerInnen ein stark erhöhtes
Unfall- und Verletzungsrisiko im Straßenverkehr. In Beobachtungen zeigen bis zu 50 % der RadfahrerInnen regelwidriges
Verhalten (Luber, 2014; Huemer & Vollrath, 2013), in Befragungen geben 7–10 % an, Regeln nicht zu
kennen (Fricke 2013; Laubersheimer 2015). Mangelnde Regelkenntnis könnte Fehlverhalten erklären. In einem
Onlinequiz beantworteten 353 erwachsene RadfahrerInnen 41 Multiple-Choice-Fragen zu Verkehrsregeln, die das
Radfahren betreffen. Mehr als die Hälfte der TeilnehmerInnen kannte weniger als die Hälfte der erfragten Regeln.
Zusammenhänge zu demografischen Daten zeigten sich nicht. Für die Kinder und Jugendlichen wurde der Fragebogen
sprachlich vereinfacht und auf zwanzig Fragen gekürzt. 142 SchülerInnen im Alter von neun bis 17 Jahren führten
die Befragung vollständig durch. Auch für die SchülerInnen ist die Regelkenntnis mangelhaft; 82 % haben weniger
als die Hälfte der Fragen richtig beantwortet. Da Kenntnis der Regeln eine Voraussetzung für deren Einhaltung ist,
sind Interventionen zur Steigerung des Wissens, gerade auch bei den heranwachsenden RadfahrerInnen, dringend notwendig.

Cycling is a healthy mode of transportation. Unfortunately, cyclists have a much higher risk of being in-volved or
hurt in traffic accidents. In observations, up to 50 % of cyclists show rule infringements (Luber 2014; Huemer &
Vollrath 2013) and in Interviews, 7–10 % of cyclists state to not know the rules (Fricke, 2013; Laubersheimer,
2015). The high number of rule infringements may be caused by a lack of knowledge. In an online-quiz, 353 adult
cyclists answered 41 multiple-choice-questions on cycling-related traffic regulations. More than half of the participants
knew less than half of the regulations. Relationships with demographic data were not found. For children
and adolescent cyclists, the quiz was linguistically simplified and shortened to twenty questions. 142 students
aged nine to 17 completed the questionnaire. For the students as well, rule-knowledge was found to be poor;
82 % knew fewer than half of the rules. As rule-knowledge is a prerequisite of rule-compliance, interventions to
increase rule-knowledge are needed, especially for the adolescent cyclists.

 

Role Model – Vorbild sein im Straßenverkehr

Role Model – Being a role model in road traffic

Dipl.-Psych. D. Knowles, Mag. E. Aigner-Breuss, A-Wien

Warum Vorbilder für Kinder so wichtig sind und ob Erwachsene dieser Rolle gerecht werden, zeigt das Projekt
„Role Model“. Auf Basis von psychologischen und soziologischen Theorien wurde das Verhalten von Kindern und
Erwachsenen vor ausgewählten Grundschulen beobachtet. Zusätzlich wurden problemzentrierte Gruppeninterviews
mit 93 Erst- und Zweitklässlern sowie eine schriftliche Befragung von Eltern mit Kindern dieser Altersgruppe
(n = 578) durchgeführt. Die theoretischen Erklärungsansätze weisen darauf hin, dass Kinder sehr viel durch
Beobachtung und Nachahmung lernen. Den Befragungen zufolge weiß die Mehrheit der Kinder daher bereits mit
dem Schuleintritt, wie sie sich im Straßenverkehr zu verhalten hat. Dennoch lassen Eltern, eigenen Angaben zufolge,
ihre Kinder in diesem Alter Alltagswege nicht alleine bewältigen. Entwicklungspsychologische Erkenntnisse
geben ihnen Recht, da frühestens im Alter von 12 Jahren alle Fähigkeiten und Fertigkeiten für die selbstständige
Verkehrsteilnahme ausgebildet sind. Bis dahin werden Erwachsene, insbesondere Eltern, in komplexen Situationen
oftmals zu einem wichtigen Vorbild. Die Elternbefragung zeigt, dass sich Erziehungsberechtigte ihrer Vorbildrolle
durchaus bewusst sind. Eigenen Auskünften zufolge gelingt es ihnen im Alltag dennoch nicht immer, korrekt zu
handeln. Sowohl die Befragung als auch die Verhaltensbeobachtungen zeigen jedoch, dass in Anwesenheit
der eigenen Kinder weniger Fehlverhalten gezeigt wird. Eltern versuchen damit, dem von den Kindern im
Interview geäußerten Wunsch nach Regeltreue und vorbildlichem Verhalten nachzukommen.

The project “Role Model” points out why role models are important for children and if adults do their role justice.
Based on psychological and sociological theories, the behaviour of children and adults was observed in
front of selected primary schools. In addition, problemcentered group interviews with 93 year one and two
pupils as well as a written survey among parents of children of this age group (n = 578) were carried out. Theoretical
approaches indicate that children learn predominantly by observation and imitation. Therefore, the
majority of the children knows already how to behave in traffic when starting school. However, parents do by
their own account not let their children participate in traffic on their own. Developmental psychology findings
show that they are right to do so because all skills and abilities that are necessary for an independent participation
in traffic are fully developed earliest at the age of 12 years. Until then adults, especially parents, turn
into important role models in complex situations. The survey among parents indicates that legal guardians are
aware of their role. Nevertheless, in daily life they do not always succeed in behaving according to the rules.
The survey as well as the behavioural observations show that they make less mistakes in the presence of their
own children though. Thereby, parents try to satisfy the expressed desire of the interviewed children for rule
compliance and role model behaviour.

Lkw-Unfälle mit schweren Personenschäden auf niedersächsischen Autobahnen und deren Relevanz sowie Vermeidbarkeit durch aktuelle Notbrems-Assistenzsysteme

Truck accidents with serious injury on Lower Saxony`s motorways, their relevance for and preventability by actual Emergency Braking Systems

Dr.-Ing. E. Petersen, Polizeioberrätin N. Simon, Polizeioberkommissarin U. Krupitzer, Hannover

Europaweit sind seit Ende 2015 fast alle neu zugelassenen Nutzkraftwagen ab 8 t zGG mit „Notbrems-Assistenzsystemen AEBS“ auszustatten. Nach einer hier beschriebenen detaillierten Analyse aller (138) Verkehrsunfälle auf niedersächsischen Autobahnen im Jahr 2015 mit Beteiligung von Güterkraftfahrzeugen > 7,5 t und Getöteten oder Schwerverletzten sind 42 % (58) von diesen Unfällen für Lkw-AEBS relevant. Aktuell eingesetzte AEBS-Typen, die den EU-Vorschriften entsprechen und Kollisionen mit stehenden Vorausfahrzeugen nur mindern, können etwa 25 % der AEBS-relevanten Unfälle vermeiden.
Dagegen ist das Vermeidungspotenzial ebenfalls verfügbarer aktuell „optimaler“ AEBS, die Kollisionen mit stehenden wie mit bewegten Vorausfahrzeugen verhindern können, mit 86 % etwa dreimal höher. Die Vollausstattung der von der AEBS-Verordnung betroffenen Fahrzeug-Flotte mit aktuell optimalen oder weiter verbesserten AEBS könnte dementsprechend die Anzahl einschlägiger Unfälle und dabei geschädigter Personen signifikant reduzieren. Hochgerechnet auf alle deutschen Autobahnen beträfe das etwa 550 schwere Lkw-Unfälle mit etwa 100 Getöteten und 675 Schwerverletzten. Um dieses und weiteres Potenzial umzusetzen, sollten die EU-Durchführungsverordnung 347/2012/EC [2] und die UNECE-Regelung 131 [3] alsbald dem Stand der Technik und vorliegenden Empfehlungen [4, 5, 6, 7] angepasst werden.

Throughout Europe almost all newly registered buses and trucks above 8 t GVW have to be equipped with “Advanced
Emergency Braking Systems AEBS” since the end of 2015. According to a detailed analysis described
here, all (138) traffic accidents on motorways in Lower Saxony in 2015 with participation of goods vehicles
> 7.5 t and fatalities or serious injuries involved include 42 % (58) for truck-AEBS relevant rear-end collisions.
Currently used AEBS types, “just” fulfilling EU requirements and only mitigating collisions with stationary vehicles
ahead, can prevent about 25 % of the AEBS-relevant accidents. In comparison, the avoidance potential
of available “optimal” systems, which can avoid collisions with stationary as with moving forward vehicles, is
with 86 % about three times higher. Equipping the total truck fleet affected by the EU regulation with current
optimal or further improved AEBS could therefore reduce the number of relevant accidents and personal damages
significantly. Extrapolated to all German motorways, this would affect about 550 heavy truck accidents
with about 100 killed and 675 seriously injured. To realize this and further potential, the EU Implementing
Regulation 347/2012/EC [2] and UNECE Regulation 131 [3] should be adjusted asap to the state of the art and
to present recommendations [4, 5, 6, 7].